Mit einem Köpper fing alles an

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Der HSC Hellas-1899 ist ein Traditionsverein, aber eine Ehrung für 90 Jahre Mitgliedschaft gab es in den fast 124 Jahren noch nie. Bei der Jahresversammlung am 10. März zeichnet der Klub Liesel Schütze für ihre Treue aus. Es ist ein besonderer Anlass. Sie trug nicht nur zu vielen Erfolgen bei, sondern gab ihr Talent auch über Generationen weiter an Söhne und Enkelkinder. Die zweifache Uroma gilt als eine Ikone im Hildesheimer Schwimmsport, auch weil sie mit 90 Jahren noch immer ihre Bahnen zieht.

Dabei waren die Anfänge wohl mühsam, auch wenn die kleine Liesel Bartels schon mit der Geburt im Mai 1932 im damaligen Hildesheimer Schwimmverein 1899 angemeldet wurde, der später mit dem SSK Hellas fusionierte. Sie liebte das Wasser, nur mit dem Freischwimmer wollte es nicht klappen. Sie paddelte mit Armen oder Beinen, brachte aber beides nicht zusammen. Erst als ihre spätere Schwimmfreundin Marianne Naroska das Abzeichen holte, war sie angestachelt, da zeigte sich ihr sportlicher Ehrgeiz, der sie durch das Leben tragen sollte. „Eine Woche später machte ich den Freischwimmer.“ Sie war sechs Jahre alt.

Das war ihr erster Start: Liesel Schütze durchforstet ihre Foto-Alben. Foto: rwe

Kleinere Probleme gab es wohl auch bei ihrem ersten Schwimmfest mit zehn Jahren, ein Kopfsprung kam für sie nicht in Frage. Liesel Schütze: „Ich traute mich nicht.“ Nur weil Trainer und Verwandte auf sie einredeten, plumpste sie mit einem „Köpper“ ins Wasser. Es hätte vielleicht der Anfang einer großen Sportkarriere werden können, doch die blieb ihr verwehrt. Deutschland überfiel Polen, der Zweite Weltkrieg begann, an Training war in den Jugendjahren nicht zu denken. Erst danach schwamm sie regelmäßig, holte die ersten Titel als älteres Mädchen und junge Erwachsene nach Hildesheim.

Ihr persönlich größtes Rennen schwamm sie in Hameln 1954, da wurde sie Landesmeisterin in 100 m Kraul – und zwar in einem doppelten Finale. Im Endlauf hatten eine Konkurrentin und sie die exakt gleiche Zeit. „Ich freute mich und dachte, wir könnten uns den Sieg teilen.“ Das kam für die Kampfrichter nicht in Frage, beide mussten noch einmal ins Becken. Die Anspannung war riesig, aber auch der Ärger über diesen Unsinn. „Unter der Dusche habe ich geheult.“ Und doch gab sie im Wasser alles, war einen Handschlag schneller und nach 1:16,4 Minuten im Ziel. Die Zeit ist ihr fast peinlich. „Darüber lachen heutzutage alle.“ Doch in Niedersachsen und dem Norden war damals in Kraul und Rücken kaum eine Frau schneller als sie.

Niedersachsenmeisterin: Liesel Schütze, damalige Bartels, nach dem Sieg 1954 über 100 m Kraul in Hameln. Foto: Privat

Für die Olympischen Spiele reichte die Leistung zwar nicht, Liesel Bartels war dennoch 1952 in Helsinki dabei. Der Verband nominierte sie wegen ihres „vorbildlichen Einsatzes“ als Repräsentantin. Mit einem Schlepper tuckerte die Abordnung nach Finnland. „Das war vielleicht ein Kahn, bei Windstärke fünf blieb der stehen.“ Die Eröffnung hätten sie deshalb fast verpasst. Die Hildesheimerin bekam Karten vor allem für die Schwimmwettkämpfe, wo sie nach wenigen Tagen so bekannt war, dass sie wie eine Olympionikin wirkte. Das nutzte sie aus. Sie warf sich einen Bademantel über die Schulter und ging so zum Becken, ihre Freikarten machte sie zu Geld. „Davon kaufte ich mir unter anderem mein erstes Eis mit Schokostreuseln, schwärmt sie.

Wenn auch nicht sofort, so gab Helsinki ihrem Leben einen wichtigen Impuls. Liesel Bartels traf dort Wolfgang Schütze aus Göttingen, den sie elf Jahre später heiratete. Sie brachte vier Söhne zur Welt, die Familie stand ganz oben, das Schwimmen und der Verein rutschen ein paar Stufen nach unten. Vier durchaus lebendige Jungs im Abstand von viereinhalb Jahren, viele Eltern bekommen womöglich schon beim Lesen graue Haare. Liesel Schütze muss lächeln, wenn sie zurückdenkt an diese Phase. „Es war viel Arbeit, aber niemals zu viel.“

Alles lief in geordneten Bahnen, wann da nicht der Wasserball gewesen wäre, der in der Jugend beim Hellas-99 aufkam und ihre Söhne begeisterte. Das führte dazu, dass erst das gemeinsame Abendessen ausfiel und später die gesamte Freizeitplanung angepasst werden musste. „Anfangs war ich nicht gut darauf zu sprechen.“ Doch sie hat längst ihren Frieden gemacht. Ihre vier Jungs spielten bei Hellas-99 in der Wasserball-Bundesliga, einer wurde sogar Europameister. Und auch die Hälfte ihrer zehn Enkel geht dem Sport nach, einer ist Nationalspieler. „Sie haben meine Begeisterung erst so richtig geweckt.“

Familie ist das Wichtigste: Liesel Schütze beim Strandurlaub mit Mutter Herma und den Söhnen Dirk, Stefan, Rainer und Thorsten.Foto: Privat

Als ihre Jungs aus dem Gröbsten raus waren, fing Liesel Schütze wieder an mit dem Schwimmen, startete bei Seniorenwettkämpfen und heimste etliche Siege, Pokale und Medaillen ein. „Ich habe sogar mal ein Fass Bier gewonnen.“ Dabei trinkt sie so gut wie nie – jedenfalls kein Bier. Auch beim Hellas-99 stieg sie ein, war zwischendurch Schatzmeisterin und Seniorenwartin. Auch als Riegenführerin stand sie am Beckenrand. Manchmal sprechen sie Leute auf der Straße an, die bei ihr geschwommen sind. Liesel Schütze: „Sie erkennen mich, ich sie aber nicht, das ist mir durchaus unangenehm.“

Fitnesstraining für die Seniorinnen: Liesel Schütze mit Karin Traupe (+), Inge Woryna, Marianne Naroska, Ida Weiterer und Hannelore Raasch. Foto: Privat

Allerdings hat die zweifache Uroma ihre Ambitionen schon vor 20 Jahren an den Nagel gehängt. Mit 70 schwamm sie ihr letztes Rennen. „Ich kannte bei den Wettkämpfen kaum noch Leute, das machte mir nicht mehr so viel Spaß.“ Ihre Liebe zu ihrem Sport hat das nicht tangiert. Selbst von einem Beinbruch vor ein paar Monaten lässt sie sich nicht bremsen, absolvierte eine Reha und geht zur Krankengymnasik. Mit Erfolg. Sie fährt schon wieder mit ihrem Dreirad zum Einkaufen und zieht die ersten Bahnen. Kraul und Rücken sind ihre Paradedisziplinen. Im Sommer will sie wieder täglich in die Jowiese gehen. „Wenn es nicht zu kalt ist oder regnet.“ 700 Meter absolviert sie mindestens, an schönen Tagen sogar 1000.

Die Jowiese ist auch am 10. März das Ziel, wenn Liesel Schütze im Hellas-99-Klubhaus ausgezeichnet wird. Doch wie lassen sich 90 Jahre würdigen? Vor dieser Frage stand auch Vorsitzender Jan Heinemann. Er hat sich etwas einfallen lassen. Was genau, das hat er Liesel Schütze noch nicht verraten.

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